Betrachtungen

Randbemerkungen zu verschiedenen Themen

 

Wissenschaften in der Krise
19.11.2018

Vom 19. bis 21. November 2018 findet das Bremer Forum für Wissenschaftsjournalismus „Wissenswerte“ statt. Ein Anlass, über den Zustand des Wissenschaftsbetriebs nachzudenken.

Vor rund 400 Jahren beschrieb Francis Bacon die Vision eines Neu-Atlantis. In seiner wahrscheinlich 1624 verfassten und ein Jahr nach seinem Tod 1627 veröffentlichten Schrift, umriss er das Programm einer Wissenschaft, die Ursachen und Bewegungen sowie die verborgenen Kräfte der Natur erkennt und die menschliche Herrschaft bis an die Grenzen des überhaupt Möglichen erweitert. Mit seinem wissenschaftlichen Paradigma der „unverfälschten Erfahrungen“ erwartete er optimistisch einen raschen naturwissenschaftlichen Fortschritt.

Heute scheint dieses Programm die Grenzen des Möglichen erreicht zu haben. Die aus der Naturwissenschaft entwickelte Technik hat die Natur weltweit erobert, zugleich aber auch die Bewohner dieses Planeten an die Grenze des Machbaren geführt. Die Naturwissenschaften stecken in der Krise. Der explosiven Vermehrung von Wissen über die Natur steht die ungewollte Zerstörung der Natur gegenüber. Wandeln sich die Naturwissenschaftler von Problemlösern zu Problemverursachern?

Gelder fließen heute hauptsächlich in anwendungsnahe Projekte, die wirtschaftlichen Interessen dienen sollen und die Freiheit der Wissenschaft einschränkt. Unternehmensfinanzierte Forschung spielt an den Hochschulen eine immer größere Rolle. Jedes Jahr fließen 1,4 Milliarden Euro aus der Wirtschaft an die Hochschulen - rund ein Fünftel aller Drittmittel. Institutsschenkungen, Stiftungsprofessuren, Public Private Partnerships (PPP) sollen teure Forschung finanzierbar machen. So nimmt die Wirtschaft Einfluss auf Wissenschaft. Zum Beispiel wurden die Abgas- und Stickstoffdioxid-Experimente an der RWTH Aachen von der Europäischen Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportwesen (EUGT) finanziert – einer Lobbyorganisation der Automobilhersteller.

Grundlagenforschung hat es bei dieser Anwendungsnähe natürlich schwer, wenn Wissenschaft zum Dienstleistungsbetrieb der Wirtschaft verkommt. Der Traum Francis Bacons, das neue Atlantis, scheint in weite Ferne gerückt. Das neue Atlantis droht - wie das alte - im Meer zu versinken.

Es ist auch Skepsis angesagt, ob wir die heutigen Probleme mit immer neuen Techniken überhaupt lösen können. Das Ziel sollte eine verantwortliche, interdisziplinäre, humane, soziale und ökologisch zukunftsfähige Wissenschaft sein, die dem Leben und dem Überleben auf der Erde verpflichtet ist.

Links: